Wenn ein Minister in einem Rechtsstaat sich vorsätzlich von dessen Regeln distanziert, ist er rechtlich wie politisch nicht mehr tragbar.

Als Bundesminister hat Franz Josef Jung einen Eid auf das Grundgesetz geleistet. Als Bundesminister ist er als Behörde Teil der Verwaltung und diese darf ausdrücklich nur per Gesetz ermächtigt handeln. Liegt ein solches nicht vor, handelt die Behörde rechtswidrig.

Wenn er also ankündigt, auch ohne rechtliche Grundlage zu handeln, ist er ein Risiko für die Gesellschaft. Ein Staat, der sich nicht mehr innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegt, ist eine Gefahr für den Bürger. Und wenn gerade der Verteidigungsminister offen bekennt, nicht verfassungsgemäß zu handeln, kann einem schon mulmig werden.

Seine „Ermächtigung“ aus dem sogenannten übergesetzlichen Notstand herzuleiten schlägt fehl. Dieser soll tatsächliche Fälle eines rechtswidrigen Handelns rechtlich „retten“, die in der Rechtsordnung nicht bedacht wurden oder bedacht werden konnten; so z. B. auch, wenn der Untergang der Rechtsordnung selbst droht. Dass sind aber sehr, sehr drastische Szenarien, von in meinen Augen auch der 11. September noch sehr weit entfernt war.

Da Franz Joseph Jung jetzt schon so ein Handeln plant, ist diese Rechtfertigung noch mehr fragwürdig, denn es soll ja eben eine unplanbare Situation rechtlich „gelöst“ werden. Außerdem ist er „Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt“ und kann Befehle erteilen. Damit wäre seine Rechtfertigung zunächst nur auf sein Handeln, also das Erteilen des Befehls, beschränkt. Mittelbar vielleicht noch weiter, aber nur mit großem Bedenken, denn ein rechtswidriger Befehl darf von einem deutschen Soldaten oder einer deutschen Soldatin gar nicht ausgeführt werden.

In meinen Augen könnte sich auf diese Weise höchstens ein Pilot eines Abfangjägers, der aus eigener Entscheidung — wahrscheinlich gegen Befehle seiner Vorgesetzten — und in einer persönlichen Zwangssituation, also als Privatmann respektive -frau, ein entführtes Passagierflugzeug abschießt, tatsächlich in irgendeiner Form gerechtfertigt oder auch entschuldigt sein.

PS: Zum Thema, etwas in eigener Sache: In GreifRecht Nr. 2, Oktober 2006, S. 82 ff. schreibt Christof Gramm, Referatsleiter im Bundesministerium der Verteidigung unter dem Titel „Ein tragischer Held als letzter Ausweg?“ zu diesem Fragenkomplex.